Freunde fürs Leben

Wir sind Romina und Sara, wir sind Anfang 30, verheiratet und leben in Köln. Wir sind Mütter von ein bzw. zwei Söhnen, wir lesen und backen gerne und verbringen viel Zeit zusammen. Letztes Jahr im Sommer haben wir „Silberfreundschaft“ gefeiert, unser 25jähriges Jubiläum. Kennengelernt haben wir uns jedoch nicht im Sandkasten oder der Grundschule, sondern auf der Hämatologisch-Onkologischen Station der Universitätskinderklinik Köln. Im Juli 1989 in der dritten Etage der alten Kinderklinik in Zimmer 9.

Eine akute lymphatische Leukämie mit Hochrisiko und ein peripherer, primitiver, neuroektodermaler Tumor sind der Grund warum wir uns kennengelernt haben und der Grundstein für eine lange andauernde innige Freundschaft.

Neun Monate Therapie auf Station haben wir, wann immer es ging zusammen verbracht. Unterbrochen von kurzen Pausen zu Hause oder Zeiten in denen Romina zu Operationen ins Bettenhaus verlegt wurde. Die letzten Wochen in Zimmer 6, dem Vier-Bett-Zimmer, Romina auf Krücken, zwei Jungen, die ebenfalls nur schlecht laufen konnten und Sara, die, als einzige Fußgängerin, den Anderen Nachts die nicht vorhandene Klingel ersetzte und, wenn nötig, die Nachtwache holte. Sara war fertig mit der Therapie und zur Entlassung fehlten nur noch die richtigen Blutwerte und so rannten und humpelten wir jeden Mittag der Laborantin entgegen, die mit den Ergebnissen der morgendlichen Blutuntersuchungen auf die Station kam. Sie wusste, was wir hören wollten und jeden Tag jubelten wir, wenn die Werte schlecht genug waren, dass wir noch einen weiteren Tag zusammen bleiben durften. Tagsüber sahen uns den Film „In einem Land vor unserer Zeit“ gefühlte 100-mal an und abends spielten wir Schatzsuche mit Pfleger Dirk. Doch jede schöne Zeit geht einmal zu Ende.

Nach der Zeit im Krankenhaus gingen wir gemeinsam zum Reha-Sport und –Schwimmen und trafen uns regelmäßig zum gemeinsamen „Wendy“-lesen. Unsere Begeisterung für Pferde gipfelte 1994 in der ersten Reiterfreizeit der Onko auf dem Reiterhof Hirschberg. Hier waren wir für eine Woche wieder Tag und Nacht zusammen und unser Glück lag hier auf dem Rücken von Sahara und Zottel, unseren Pflegepferden.

Wieder Zuhause schwelgten wir in Erinnerungen an die Zeit mit den Pferden, an Lagerfeuer und Schwärmereien für den gleichen Jungen und aus der Freundschaft zweier Leidensgenossinnen mit Krebs im Kindesalter wurde die Freundschaft zweier heranwachsender junger Mädchen, die die Wendy so langsam gegen die Bravo eintauschten. Es folgten ein weiterer, privater Aufenthalt auf dem Hirschberghof, ein gemeinsamer Urlaub auf Juist und viele gemeinsame Stunden, in denen es gar nicht mehr um Krebs ging, sondern nur noch um uns.

Doch nach und nach verloren wir uns langsam aber sicher aus den Augen. Kein plötzlicher Bruch, kein Streit, sondern ein langsamer, schleichender Prozess, der in einer Funkstille für viele Jahre endete. Neue Freunde, neue Interessen, eine zu große Entfernung zwischen unseren Elternhäusern, … Die Gründe sind heute kaum noch nachzuvollziehen.

2001, lud Sara zu ihrem 18. Geburtstag Freunde und Weggefährten ein, die sie auf ihrem Lebensweg begleitet hatten. Auch Romina erhielt eine Einladung und war die Erste die zusagte. Sie kam mit ihrem Freund Patrick, der heute ihr Mann und Vater ihrer Söhne ist. Der Geburtstagsfeier folgten weitere Treffen. Wir hatten uns ja so viel zu erzählen, so viel aufzuholen. Unsere Freundschaft knüpfte nahtlos da an, wo sie vor vielen Jahren

eingeschlafen war. Sechs Wochen später feierte Romina Geburtstag und natürlich war Sara eingeladen. Ebenfalls dabei war Guido, bester Freund und Kollege von Patrick und heute Mann von Sara und Vater ihres Sohnes. Es folgten unzählige Treffen zu zweit, zu viert oder zusammen mit gemeinsamen Freunden, gemeinsame Feiern und Ausflüge, Urlaube und Unternehmungen, zwei Hochzeiten und drei Geburten. Unsere Söhne Lukas, Jonas und Moritz sind unser größtes Glück. Wir wissen genau, dass es keineswegs selbstverständlich ist, ein gesundes Kind zu haben und sind jeden Tag dankbar dafür.

Wir haben uns seitdem nicht wieder aus den Augen verloren, im Gegenteil, wir haben uns fest im Blick, sind füreinander da und verbringen viel Zeit zusammen. Aus unserer Krebserkrankung haben wir nie einen Hehl gemacht. Sie gehört zu uns und unserem Leben und rückblickend haben wir ihr viel zu verdanken. Wir haben sie überlebt und mehr noch, wir haben das Beste aus ihr herausgeholt – unsere Freundschaft.