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Marion Kluge – Erinnerungen an 2002

Im Oktober 2002 sollte unser Leben von einem auf den anderen Tag eine Wende nehmen. Bei unserem damals 2-jährigen Sohn Christian, wurde ein Neuroblastom diagnostiziert – Krebs. Eine Welt brach für uns zusammen. Wir hatten uns so auf unsere bald vierköpfige Familie gefreut; ich war im sechsten Monat schwanger und plötzlich war alles anders.

Wir hatten Angst, was erwartet uns, wie wird es Christian gehen. Was machen wir in den Monaten der Therapie im Krankenhaus. Doch nach dem ersten Schock wurden uns die Ängste schon genommen. Auf der Kinderkrebsstation in Köln erwarteten uns fröhliche Kinder, nettes Personal und eine Erzieherin sowie eine Kunsttherapeutin, die uns das Leben in den Räumen der Klinik erleichterten. Wir haben uns schnell an das Klinikleben gewähnt und selbst Christian freute sich, wenn wer wieder auf Station kam, um mit den diversen Fahrzeugen zu fahren, zu basteln, Videos anzuschauen und sich zu verkleiden.

Ständig hatte Christian neue Ideen, die mit der Erzieherin umgesetzt wurden. So konnten wir nach dem stationären Aufenthalt diverse Kostüme mit nach Hause nehmen: Ritter, Batman, Spiderman und Polizist. Sogar ein Auto mit Seitenspiegeln, das aus einem Riesekarton mit der Erzieherin gebastelt wurde, in dem Christian sogar einen Sitzplatz für seinen gerade geborenen Bruder Dominik einrichtete. Es war wunderbar, wie unbefangen unsere kleine Maus mit der Situation und den Leuten umging.

Als wir eine ganze Zeit in Isolation – während und nach der ersten Stammzelltransplation – waren, war uns die Erzieherin eine Riesenhilfe und Unterstützung. So konnte ich auch einmal eine Stunde eine Auszeit nehmen oder auch nur einfach einmal eine Pause einlegen.

Auch an uns Eltern, die eigentlich ihr Zuhause in der Klinik hatten, wurde gedacht. So konnten wir uns mit Gleichgesinnten zu einem Abendessen – gesponsert vom Förderverein für krebskranke Kinder – treffen und uns austauschen. Es waren richtig nette Zusammenkünfte bei den abendlichen Essen, die wir nicht missen wollten.

Als Christian im Mai 2004 einen Rückfall hatte und die Therapie von vorne losging, waren es die Mitarbeiter und Station und des Kölner Elternhauses, die uns auffingen. Ohne deren Hilfe hätten wir diese Zeit nicht so überwunden. Auch Dominik, der mittlerweile laufen konnte, durften wir mit auf Station nehmen. Dominik und Dominik fuhren dann gemeinsam mit den Dreirädern über die Station und beide spielten sofort mit der Erzieherin.

Als Christian nach Chemo- und Radiojod-Therapie noch zusätzlich vier Wochen Bestrahlung jeden Tag erhalten musste, konnten wir mit der ganzen Familie – sprich vier Personen – ins Kölner Elternhaus einziehen. Für uns war das eine enorme Hilfe. Wir fühlten uns im Elternhaus wohl und konnten unter uns sein. Wir konnten in der freien Zeit Gespräche führen, gemeinsam kochen und auch hier fanden alle 14 Tage gemeinsame Abendessen mit den Bewohnern des Elternhauses statt.

Um sich wieder an das normale Leben zu gewöhnen und den Kindern Freude zu bereiten, besuchen wir einige Veranstaltungen, die vom Förderverein organisiert werden. Die Kinder werden zu Nikolausfeiern eingeladen, eine Besichtigung in Finkens Garten, Karneval in der Wolkenburg. Es ist jedes Mal eine Riesengaudi für die Kinder, so etwas miterleben zu können.

Auch wir Eltern haben von dem Engagement des Fördervereins profitiert. Vor allem die verschiedenen Informationsabend z.B. zur Wickel-Massagen und Fußpflege und zur naturheilkundlichen Pflege für Kinder geben das Gefühl: Wir können jetzt selber mitwirken und etwas Alternatives bei Christian anwenden.

Auch Weihnachts- und Osterbastelabende mit gleich gesinnten Eltern wurden vom Elternhaus angeboten, was immer einen Riesenspaß gemacht hat. Als gesamte Familie sind wir auch in den Genuss gekommen, das Piratencamp in Heidelberg für ein Wochenende zu besuchen. Hier konnten wir wieder Lebensfreude und Energie tanken. Für das alles dem Förderverein vielen Dank.

Auch heute noch fühlen wir uns – trotz der schweren Zeit – im Elternhaus wie eine große Familie. Es ist mittlerweile zu einem zweiten Zuhause geworden. Wenn wir zu Kontrolluntersuchungen müssen, statten wir dem Elternhaus immer einen Besuch ab und reden bei einer Tasse Kaffee. Selbst dann kochen wir noch im Elternhaus und wenn die Zeit bleibt, essen auch alle mit.

Heute – im Dezember 2006 –sind wir zwei Jahre aus der Therapie und für uns ist es ein kleines Wunder, dass unser Sohn Christian noch lebt. Christian ist zwar austherapiert, aber wir genießen jede Minute und sind heilfroh, dass er so unbefangen und normal geblieben ist, was uns alleine – ohne die Unterstützung durch das Elternhaus, Klinikpersonal, dem Förderverein für krebskranke Kinder und den Gesprächen – nicht in dieser Form gelungen wäre. So hatten wir immer wieder die Kraft, für unseren Sohn die Stütze zu sein, die er in dieser gebraucht hat.

Christian geht mittlerweile zu Schule und ist ein fröhlicher sechsjähriger Junge, auf den wir riesig stolz sind.

Wir schätzen die Arbeit des Fördervereins und versuchen dort zu helfen, wo wir können und das ist enorm wichtig.

Marion Kluge

Daike Lohmeyer – Erinnerungen an 2001

Meine Tochter Venna war drei Monate alt, als sie im November 2001 an Leukämie erkrankte. Das Unvorstellbare, das Horrorszenario wurde Wirklichkeit.

Neben dem kaum zu verarbeitende Schock, all den überlebensnotwendigen Entscheidungen und dem Trösten traf es mich als allein erziehende, arbeitslose Mutter auch in einer finanziell sehr engen Situation. Da stand nach wenigen Tagen eine Frau im Zimmer, stellte sich als Leiterin des Elternhauses vor und bot mir Hilfe an, einfach so, sie kannte mich doch gar nicht! Es war die Rettung und das sollte noch oft so sein in den nächsten 21 Monaten.

Da waren die guten Gespräche, der liebevolle Umgang mit Venna. Das beim Stationsessen jemand sie übernahm, auf dessen Arm sie sich wohl fühlte, auch das blieb bis zum Ende so, und ich einmal in Ruhe essen konnte. Dann nach drei Monaten Station konnten wir die ersten Wochenenden nach Hause und dort grassierte die Grippe. Super, wohin sollte ich hin mit meinem immundepressiven Kind? Ins Elternhaus! Die Oase, endlich wieder eigene Räume, selber Essen machen, ein Spielzimmer, einfach nur Mutter und Kind sein, ein wenig Alltag klauen inmitten der Therapie. Von da an war das Elternhaus mit seinem Spielzimmer und seinen lieben Leuten festes Ziel auf unseren zahllosen Spaziergängen.

Und immer wieder auch ein Zuhause auf Zeit, immer war dort ein Platz für uns, wenn wir z.B. die Wohnung renovierten und Venna dem Staub und Dreck nicht ausgesetzt sein sollte. Venna wurde größer und selbstständiger, welch ein wunderbarer Moment, sie mit Annika und Ines spielen zu sehen, ein Hauch von Kindergarten auf der Station!

Als der Rückfall kam und damit eine Stammzellentransplantation unsere letzte Chance war, da halfen die Leute vom Elternhaus/Förderverein zusammen mit meiner Familie und Freunden die Spendersuche zu organisieren. Während wir uns durch die Chemo kämpften, die keinen Platz und Kraft für irgendetwas anderes ließ, führten sie einen Aktionstag durch, bei dem sich mehrere hundert Menschen als Spender registrieren ließen.

In den Wochen des Abschieds, da waren es die Hände, die hielten, die Worte, die halfen, aber auch die Schaukel hinterm Elternhaus, die uns friedliche Momente schenkte. Und dann ganz zum Schluss wieder die finanzielle Seite, dank dem Zuschuss des Fördervereins brauchte ich mir keine Sorge um die Beerdigungskosten machen, eine riesige Erleichterung!

Danke für so vieles und vielfältiges!

Daike Lohmeyer

Angelika Schmitz – Erinnerungen an 1991

Der schlimmste nächtliche Alptraum kann sich manchmal mit erlebter Wirklichkeit nicht messen! Diagnose Hirntumor bei meinem vierjährigen Sohn Feliciano!

Nach drei Tagen im heimischen Krankenhaus und der Aussage: „Wir können ihm hier nicht helfen, er muss in eine Uni-Klinik“ Fahrt mit dem kranken Kind zur Uniklinik Köln mit einem Krankentransport. Meine Eltern fahren im eigenen Wagen hinterher. Tausend Gedanken , die einem ungefiltert durch den Kopf gehen – immer mit Blick auf den vom vielen Erbrechen geschwächten Körper des Kindes . „Das kann ich doch nicht ertragen“ – noch nicht ahnend, was Menschen alles ertragen können! Vorstellungen von klinisch sterilen Arztzimmern, weißen Kitteln, glänzenden OP – Bestecken, langen, leeren Fluren mit kleinen Zimmern, in denen kranke Kinder aus den Betten schauen – welche Illusionen, obwohl die doch schon eher einem Horrorszenario gleichen.

Ankunft vor dem Klinikgebäude – grauer Kasten der Vorkriegszeit, vor dem Eingang Trauben von hastig an Zigaretten ziehenden Frauen mit schlaflosen Blicken. Fahrt mit einem altersschwachen Lift vor eine geschlossene Stationstür. Es wird geklingelt. Die Tür öffnet sich …Eintritt in eine Welt, die nichts mit irgendeinem Erlebnis meines Lebens zu vergleichen ist:

Erster Blick fällt auf eine winzige Spielecke mit Resten von Spielzeug, in der sich lautstark fremde Wesen tummeln- kahlköpfige ausgemergelte Gestalten mit blauen Lippen. “Was haben die mit meinem Feli zu tun?“ Ich höre meine Eltern hinter mir tief durchatmen. „Gibt es kein Entkommen aus diesem Vorhof der Hölle?“ Wir werden freundlich angewiesen zu warten und setzen uns in eine Ecke neben der Tür. Ein Junge humpelt zu seinen Leidensgenossen mit verdrehtem Fuß angenäht an seinem Knie, ein weiterer schiebt ein Infusionsgerät vor eine schmale Toilettentür und bemüht sich das Gestell so zu kippen, dass er eintreten kann. Aus einem Zimmer stürzt eine Frau in Grün mit grünem Mundschutz in der Hand eine Schale mit Erbrochenem und schreit nach einer Schwester. Innerhalb kurzer Zeit erscheinen weitere Familien zur Einweisung, die mit uns erstarrt auf den kleinen Stühlen warten. Erste Gesprächsfetzen „Was fehlt ihrem Kind?“. Leukämie … Neuroblastom … Diagnosen, wie sie schlimmer nicht sein könnten.

Irgendwann – viel später – Einweisung auf die Zimmer. Welch ein Unterschied zu den Gedanken im Krankenwagen! Vier Betten verteilen sich auf wenige Quadratmeter. Blutige Tupfer liegen auf einem kleinen Nachttisch. In einem Bett liegt ein Kind fast totengleich und schläft, in der anderen Ecke läuft lautstark ein Fernseher mit der neuesten Turtle – Sendung. Um die Füße kreist ein ferngesteuertes Auto. Um das vierte Bett schart sich eine türkische Großfamilie und scherzt mit den kleinen Patienten. Wie kann man hier lachen?

Stunden später – mit dem Wissen, dass dies nun die Bleibe für viele Wochen sein wird, Aufbruch zu den Zimmern, die im Schwesternheim für die Eltern reserviert sind. Auf dem Weg durch das Klinikgelände erste Worte mit einer weiteren betroffenen Mutter, mit der man sich die 8 Quadratmeter teilen wird, denn alles ist überbelegt. Wie kann man in der Situation mit einem wildfremden Menschen so dicht beieinander wohnen? Wo soll ich weinen? Nachdenken? Vor mich hinstarren – wenn mir danach ist?

In der ersten Nacht bleiben wir zunächst in Klappbetten auf der Station – von den netten Schwestern geduldet, denn eigentlich bleibt ja auch kein Zentimeter für die Nachtschwestern. So wird dies für Monate zum eigentlichen Lebensraum … langsam entsteht so etwas wie Alltag – völlig abgeschottet von der übrigen Welt. Jeder Gang nach „draußen“ ein Schock … schnell wieder eintauchen in die Welt der Station.

Was passiert mit dem Kind? Nur, wenn Besuch auftaucht, wird einem noch mal klar, wo man sich befindet. „Das kann doch keine deutsche Krankenstation sein – so habe ich mir eine Station in Russland vorgestellt!“ Zwischen Schocks und wieder Abtauchen ins Stationsleben entsteht so etwas wie Normalität. Es wird gelacht – mit Ärzten, Schwestern, Müttern und den Kindern sowieso. Sie sind soo tapfer- eigentlich sind sie es, die uns den Alltag erst möglich machen. Ich habe noch nie so starke Menschen gesehen – wie die Kinder auf der Onkologie.

Und gerade deshalb fragt man sich in ruhigen Minuten: Wie kann es sein, dass es solche Bedingungen gibt und das in einem der reichsten Länder der Erde? Sind diese Stationen vergessen, diese Kinder und Eltern? Gibt es keine Organisationen, Vereine, Spendengeber? Ist es einfacher die Augen zu verschließen? Wenn ich heute…

Angelika Schmitz

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