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Marlines Geschichte

Die Geschichte von Marline Platz erzählt von Leukämie und Knochenmarkstransplantation. Und vor allem über das Leben – während der Behandlung und die vielen Jahre danach.

Marline  erkrankte im Juli 2000 im Alter von 6 Jahren an ALL (einer Form der Leukämie) und wurde Ende Februar 2001 in der Uniklinik Essen erfolgreich knochenmarktransplantiert. Ihre Mutter dokumentierte im Internet ihren Überlebenswillen, den Einsatz ihres knochenmarkspendenden Bruders und das „ganz normale Leben“ drumherum in den einzelnen Phasen.

Die Homepage endet mit dem 18. Lebensjahr von Marline. Die Familie bietet aber die Möglichkeit an, über „Kontakt“ eine E-Mail zu senden.

Link zur Internetseite von Marline Platz

Freunde fürs Leben

Wir sind Romina und Sara, wir sind Anfang 30, verheiratet und leben in Köln. Wir sind Mütter von ein bzw. zwei Söhnen, wir lesen und backen gerne und verbringen viel Zeit zusammen. Letztes Jahr im Sommer haben wir „Silberfreundschaft“ gefeiert, unser 25jähriges Jubiläum. Kennengelernt haben wir uns jedoch nicht im Sandkasten oder der Grundschule, sondern auf der Hämatologisch-Onkologischen Station der Universitätskinderklinik Köln. Im Juli 1989 in der dritten Etage der alten Kinderklinik in Zimmer 9.

Eine akute lymphatische Leukämie mit Hochrisiko und ein peripherer, primitiver, neuroektodermaler Tumor sind der Grund warum wir uns kennengelernt haben und der Grundstein für eine lange andauernde innige Freundschaft.

Neun Monate Therapie auf Station haben wir, wann immer es ging zusammen verbracht. Unterbrochen von kurzen Pausen zu Hause oder Zeiten in denen Romina zu Operationen ins Bettenhaus verlegt wurde. Die letzten Wochen in Zimmer 6, dem Vier-Bett-Zimmer, Romina auf Krücken, zwei Jungen, die ebenfalls nur schlecht laufen konnten und Sara, die, als einzige Fußgängerin, den Anderen Nachts die nicht vorhandene Klingel ersetzte und, wenn nötig, die Nachtwache holte. Sara war fertig mit der Therapie und zur Entlassung fehlten nur noch die richtigen Blutwerte und so rannten und humpelten wir jeden Mittag der Laborantin entgegen, die mit den Ergebnissen der morgendlichen Blutuntersuchungen auf die Station kam. Sie wusste, was wir hören wollten und jeden Tag jubelten wir, wenn die Werte schlecht genug waren, dass wir noch einen weiteren Tag zusammen bleiben durften. Tagsüber sahen uns den Film „In einem Land vor unserer Zeit“ gefühlte 100-mal an und abends spielten wir Schatzsuche mit Pfleger Dirk. Doch jede schöne Zeit geht einmal zu Ende.

Nach der Zeit im Krankenhaus gingen wir gemeinsam zum Reha-Sport und –Schwimmen und trafen uns regelmäßig zum gemeinsamen „Wendy“-lesen. Unsere Begeisterung für Pferde gipfelte 1994 in der ersten Reiterfreizeit der Onko auf dem Reiterhof Hirschberg. Hier waren wir für eine Woche wieder Tag und Nacht zusammen und unser Glück lag hier auf dem Rücken von Sahara und Zottel, unseren Pflegepferden.

Wieder Zuhause schwelgten wir in Erinnerungen an die Zeit mit den Pferden, an Lagerfeuer und Schwärmereien für den gleichen Jungen und aus der Freundschaft zweier Leidensgenossinnen mit Krebs im Kindesalter wurde die Freundschaft zweier heranwachsender junger Mädchen, die die Wendy so langsam gegen die Bravo eintauschten. Es folgten ein weiterer, privater Aufenthalt auf dem Hirschberghof, ein gemeinsamer Urlaub auf Juist und viele gemeinsame Stunden, in denen es gar nicht mehr um Krebs ging, sondern nur noch um uns.

Doch nach und nach verloren wir uns langsam aber sicher aus den Augen. Kein plötzlicher Bruch, kein Streit, sondern ein langsamer, schleichender Prozess, der in einer Funkstille für viele Jahre endete. Neue Freunde, neue Interessen, eine zu große Entfernung zwischen unseren Elternhäusern, … Die Gründe sind heute kaum noch nachzuvollziehen.

2001, lud Sara zu ihrem 18. Geburtstag Freunde und Weggefährten ein, die sie auf ihrem Lebensweg begleitet hatten. Auch Romina erhielt eine Einladung und war die Erste die zusagte. Sie kam mit ihrem Freund Patrick, der heute ihr Mann und Vater ihrer Söhne ist. Der Geburtstagsfeier folgten weitere Treffen. Wir hatten uns ja so viel zu erzählen, so viel aufzuholen. Unsere Freundschaft knüpfte nahtlos da an, wo sie vor vielen Jahren

eingeschlafen war. Sechs Wochen später feierte Romina Geburtstag und natürlich war Sara eingeladen. Ebenfalls dabei war Guido, bester Freund und Kollege von Patrick und heute Mann von Sara und Vater ihres Sohnes. Es folgten unzählige Treffen zu zweit, zu viert oder zusammen mit gemeinsamen Freunden, gemeinsame Feiern und Ausflüge, Urlaube und Unternehmungen, zwei Hochzeiten und drei Geburten. Unsere Söhne Lukas, Jonas und Moritz sind unser größtes Glück. Wir wissen genau, dass es keineswegs selbstverständlich ist, ein gesundes Kind zu haben und sind jeden Tag dankbar dafür.

Wir haben uns seitdem nicht wieder aus den Augen verloren, im Gegenteil, wir haben uns fest im Blick, sind füreinander da und verbringen viel Zeit zusammen. Aus unserer Krebserkrankung haben wir nie einen Hehl gemacht. Sie gehört zu uns und unserem Leben und rückblickend haben wir ihr viel zu verdanken. Wir haben sie überlebt und mehr noch, wir haben das Beste aus ihr herausgeholt – unsere Freundschaft.

Vom drüber Reden stirbt man nicht

Vom stärkenden Umgang mit der Wahrheit – Interview mit einer ehemaligen Patientin

Der weltweit bedeutendste Neuroblastom-Kongress fand im Mai 2014 zum ersten Mal in Deutschland statt. Die führenden Experten aus Wissenschaft und Medizin trafen sich in Köln, um sich auszutauschen und über neue Forschungsergebnisse zu informieren. Im Rahmen des Kongresses fand von der Kinderkrebsstiftung ein Neuroblastom-Tag für Patienten und Angehörige statt. Hier gab Jessica Hirsch, eine Langzeitüberlebende, in einem Interview mit der Seelsorgerin Mechthild Ritter einen Einblick in ihre Krankengeschichte.

Jessica erkrankte mit zwei Jahren und wurde, als sie 8 Jahre alt war, in Frankfurt als unheilbar entlassen. Ihre Mutter wollte mit ihr zur Klinik nach Köln, sie aber wollte zuhause bleiben.

Frau Ritter: Dass Sie mit Ihren 8 Jahren – aus der Frankfurter Klinik als unheilbar zum Sterben entlassen – keine Lust hatten, nach Köln zu fahren, wissen sie noch sehr genau.

Jessica: Ja, ich weinte und wollte nicht von zuhause weg. Meine Mutter nahm mich in den Arm, schaute mich an und sagte: „Wir müssen nicht nach Köln fahren, es ist deine Entscheidung. Entweder wir bleiben hier und Du stirbst, oder wir fahren nach Köln und dann wirst Du vielleicht gesund.

Frau Ritter: Ihre Mutter hat Sie in die Entscheidung einbezogen, offen gesagt, was Sache ist. Sie hat nichts gegen Ihren Willen entschieden und Ihnen nie etwas vorgemacht oder versprochen, was nicht einhaltbar war?

Jessica: Genau. Ich habe nie um Versprechungen gekämpft, sondern um mein Leben.

Frau Ritter: Und die schonungslos offene Art Ihrer Mutter hat Ihnen nie Angst gemacht?

Jessica: Nein, im Gegenteil. Wir haben auch zusammen geweint. Sie hat mir ihre Angst gezeigt und dann wusste ich, dass es in Ordnung ist, Angst zu haben.

Frau Ritter: Sie haben zwar einen Großteil ihrer Kindheit mit der Krankheit verbracht, aber Sie fühlen sich nicht als Opfer?

Jessica: Die Klinik war das soziale Umfeld, das war mein Leben – ein anderes hatte/kannte ich ja nicht. Und ich habe gelernt: wenn andere schockiert waren/sind über meine Krankheit, dann ist das deren Problem. Ich habe meinen größten Kampf gewonnen und daraus bis heute immer wieder viel Kraft gezogen.

Frau Ritter: Warum haben Sie überlebt?

Jessica: Ich weiß es nicht. Vielleicht, weil meine Zeit noch nicht abgelaufen war, weil meine Mutter nicht aufgegeben hat, einen starken Willen hatte. Bestimmt, weil ich ganz viel Glück hatte … Ich glaube nicht, dass es vom Kämpfen abhängt oder vom Leben wollen. Das wollen alle. Dann hätten die, die sterben, etwas falsch gemacht. Das kann es nicht sein.

Jessica ist hat die Krankheit hinter sich gelassen. Sie ist durch diese Kindheit selbstbewusst geworden und sie weiß das Leben zu schätzen. Köln ist ein Ort ihres persönlichen Glücks – hier ist sie gesund geworden, hat ihre beste Freundin und eine „zweite Familie“ gefunden und auch ihren Mann hat sie hier kennengelernt. Seit einem Jahr ist sie verheiratet.

All das meint sie wäre nie passiert, wenn sie sich damals dafür entschieden hätte, zuhause zu bleiben …

Katharina – Ein Jahr Neuseeland – 2014

Hallo, mein Name ist Katharina, ich bin 15 Jahre alt und vor 3 Jahren, genauer gesagt im Dezember 2010, mit Leukämie diagnostiziert worden. Die Therapie habe ich trotz Haarausfall und etlichen anderen Nebenwirkungen gut überstanden und konnte dann nach einem Jahr wieder in die Schule, während ich weiter Tabletten nehmen musste.

Nachdem ich wieder ein Jahr in der Schule war, fing ich an, über ein Auslandsjahr nachzudenken. Ich hatte vom Krankenhaus, Kabeln und Tabletten erst mal genug gesehen und wollte etwas Luft holen. Ich hatte mehrere Ärzte gefragt, die die Idee erst mal super fanden, aber dadurch, dass das Jahr direkt nach dem Ende der Dauertherapie stattfinden würde, kamen die ersten Zweifel, da ich ja immer noch im 6 Wochen Rhythmus zur Kontrolle in die Klinik musste. Als Professor Berthold es dann genehmigte, habe ich mich sofort bei mehreren Organisationen beworben und mich schließlich für die Organisation Stepin entschieden und es nicht bereut.

Nach der Genehmigung kam schon die nächste Frage auf mich zu: wo möchte ich überhaupt hin? Ursprünglich hatte ich nach Kanada oder in die USA gewollt, aber ich war zu jung und konnte da nicht hin. Dann hatte ich mich für Südafrika entschieden und schon ja gesagt. Dieses Mal hätte es vom Visum her auch gepasst, allerdings wollte mich die Organisation dieses Mal nicht dorthin lassen, da ich bei meiner Abreise nur 14 war und es in Südafrika nicht einfach ist unter 16 selbstständig irgendwo hinzugehen. Damit war der Wunsch auch gestrichen. Ich informierte mich weiter und stieß auf Neuseeland und war sofort begeistert. Das Land hatte eigentlich alles, wonach ich gesucht hatte: eine andere Sprache, eine andere Kultur und Geschichte, die mir unbekannt war und der europäischen Kultur nicht ähnlich sah, ein gutes Schulsystem und letzten Endes auch eine sehr große Onkologie-Station und ein gutes Gesundheitssystem. Hätte mir nichts Besseres wünschen können!

In Neuseeland angekommen, musste ich mich sofort im Krankenhaus in Auckland (Star-Ship Hospital) vorstellen, und da fing es auch schon an: das Englisch. Ich hatte zwar meine Papiere und alles dabei, aber diese Sache mit den Fachbegriffen, die ich auf Deutsch alle kannte – allerdings auf Englisch überhaupt nicht wusste, machte die ganze Situation etwas komplizierter, als gedacht. Letzten Endes habe ich sehr viel einfach erklärt und gemalt und das ging alles ganz gut. Später musste ich dann auch nicht mehr auf die Station, sondern in ein kleineres Krankenhaus in Tauranga zur Kontrolle.

Alle 6 Wochen musste ich dann also zur Kontrolle, die auch alle gut verliefen. Irgendwann hatte ich auch alle Begriffe auf Englisch drauf und konnte mich also ohne Probleme verständigen. Die Ärzte waren auch immer sehr freundlich und haben mich immer über alles gefragt, was ich denn zurzeit so mache und dies und jenes, auch immer über das was zu Hause in Deutschland ablief, und es war irgendwann wirklich nur noch Routine.

Ich hatte zwischendurch auch immer wieder bedenken wegen der Kontrollen, dass die vielleicht etwas übersehen oder dass ich etwas nicht verstehe und dann nicht genau weiß, wovon die Ärzte gerade gesprochen haben. Aber das ist eigentlich immer gut verlaufen und sie waren auch immer sehr geduldig. Sie haben mir immer alles doppelt erklärt und alle Berichte auch immer in die Klinik und zu meinen Eltern geschickt, von daher war das kein Thema.

Es ist immer wieder unglaublich wie viel man lernt. Mittlerweile kann ich super Englisch sprechen und es ist irre, was man von so einem Auslandsaufenthalt mitnimmt und lernt! Letzten Endes bin ich dann in Katikati gelandet, das ist etwa zwei Stunden von Auckland entfernt, eine recht kleine Stadt, nah am Strand. Ich war bei einer Gastfamilie mit drei Mädchen in meinem Alter. Sie waren wirklich super lieb und ich bin mit ihnen auch mehrmals in den Urlaub gefahren. Ich kam mit ihnen einfach wirklich gut aus! Ich hab wirklich auf dem Land gewohnt, also das Grundstück war riesig. Einfach mal so ins Dorf ging nicht eben mal, aber es war ganz schön, mal was anderes von der Welt zu sehen, als nur Großstädte wie Köln. Das Haus war riesig und auf unserem Grundstück waren Rehe, Schafe (die Lämmchen waren so putzig!), zwei Schweine und 6 Hühner, die immer überall rum gelaufen sind. Ich habe dort auch bei den Tanzwettbewerben der Schule mitgemacht, war in der Hockey Mannschaft mit meinen Freundinnen, obwohl ich vorher noch nie Hockey gespielt hatte, und bei mehreren Ausflügen mitgemacht.

Über meine ehemalige Krankheit wussten nur meine beste Freundinnen und meine Gastfamilie. Sie waren am Anfang auch erstaunt, dass ich dann trotzdem ein Auslandsjahr gemacht habe, aber alle konnten es super gut nachvollziehen und haben es auch akzeptiert. Letztendlich hatten sie auch keine Angst, mich danach zu fragen oder wenn ich was darüber erzählt habe. Und ich muss auch ehrlich sagen, trotz aller Bedenken, die ich hatte, wegzufahren: das Jahr hat neben den Sprachkenntnissen wirklich Spuren hinterlassen und zwar positive! Man lernt es, andere Kulturen viel offener kennen zu lernen und mit anderen Menschen auszukommen. Man wird viel selbstständiger und es war wirklich schön, etwas Abstand von der ganzen Sache zu bekommen. Ich muss aber auch sagen, dass manche Erfahrungen im Krankenhaus eigentlich immer ganz schön waren und man auch wirklich etwas daraus lernt.

Ich hoffe, euch hat mein kurzer Bericht gefallen und vielleicht auch etwas inspiriert. Und ich hoffe, dass ein paar von euch, die jetzt vielleicht noch in Behandlung sind und das auch gerne machen würden, den Mut haben, so etwas zu machen. Es funktioniert!

Lasst euch nicht hängen! Alles, alles Gute, ich wünsche euch allen Gesundheit und dass ihr nie den Mut verliert und die Chancen, euer Leben zu leben auch nutzt!

Liebe Grüße,
Katharina

Karine und Matthias – 2013

Nach Beendigung der akuten Therapie eines krebskranken Kindes sind noch lange nicht alle Sorgen und Ängste zu Ende. Deshalb nehmen einige Familien die Möglichkeit einer Nachsorgemaßnahme in Anspruch. So auch unser Mitglied Karine, deren Tochter Katharina an Krebs erkrankte. Die gesamte Familie erholte sich in einer vierwöchigen Kur in Bad Oexen und hat ihre Eindrücke wie folgt festgehalten:

Nachdem unsere Tochter im Dezember an Leukämie erkrankt war, musste sich nicht nur Katharina (12) als Patient in einer anderen Umgebung orientieren: auch die beiden Geschwister Klarisse (6) und Maximilian (11) sahen sich plötzlich zusammen mit den Eltern von heute auf morgen mit einer „anderen Welt“ konfrontiert. Niemand wurde gefragt, ob er in diese Situation wollte, aber es stellen sich Fragen nach Leben und Tod. Zeit, darüber nachzudenken, Schritt für Schritt zu verarbeiten, gab es für keinen der fünfköpfigen Familie. Erst einmal ging es ums „überleben“.

Schon während dieser intensiven Chemotherapie kam die Sozialarbeiterin auf uns zu, um uns eine Familienkur zu empfehlen. Nachdem wir viel Positives gehört hatten, beantragten wir eine vierwöchige Familienkur und erhielten wenige Wochen später die Bewilligung der Antragsstelle.
Der Patient – unsere Katharina – war mittlerweile von der Intensivtherapie sehr geschwächt und rappelte sich langsam auf. Eltern und Geschwister hatten Katharina nach Kräften begleitet und unterstützt; es gab untereinander in der Familie Gespräche, immer wieder. Trotzdem blieben im langsam wieder errungenen Alltag die Zweifel: wie geht es uns wirklich? Nach den gemachten Erfahrungen tauchte zudem die berechtigte Frage des skeptischen Maximilian auf: „Und wenn uns das dort nicht gefällt? Vier Wochen sind ganz schön lang!“

Ich hatte mir diese lange Zeit als sehr schön vorgestellt. Allein die Vorstellung, die ganze Familie würde zusammen sein und gemeinsam Zeit miteinander verbringen, war bereits eine Vorfreude. Wir fuhren also nach Bad Oexen. Die Klinikgebäude liegen unweit von Bad Oeynhausen in einem Park verstreut, umgeben von grünen Feldern, die zum Spazieren gehen einladen. Nach einer herzlichen Begrüßung lernten wir die Gebäude und deren Funktionen kennen und wir wurden in unsere Wohnung gebracht. Für die Familien im Haus gab es eine gemeinsame Küche und Wohnzimmer sowie eine geräumige Terrasse mit Kamin.

Am nächsten Tag sind wir von den Ärzten „aufgenommen“ worden: eine erste Untersuchung mit dem Festlegen des Programms für die nächsten vier Wochen. Wir erhielten jeder den individuellen Wochenplan, der uns nun täglich von morgens nach dem Frühstück um 8 Uhr bis abends beschäftigen würde. Selbst nach dem Abendessen hatten wir mitunter „Programm“. Das Programm war kurzweilig und abwechslungsreich: neben Gruppengesprächen, Einzelgesprächen, mal nur für Kinder, mal nur für Erwachsene, mal gemischt, mal als Familie: es war alles dabei. Regelmäßig wurden unterschiedliche Entspannungstechniken angeboten, diese eingehend auszuprobieren und auch soweit zu vertiefen, dass sie uns auch nach der Kur ein Hilfsmittel im Alltag wurden.

Jeder hatte „sein“ Sportprogramm: sei es in der „Muckibude“, im Stall mit den Pferden, in der Turnhalle oder im Schwimmbad): für jeden war etwas dabei. In der Villa Kunterbunt gab es ein Betreuungsangebot für Jugendliche, während Klarisse als Jüngste jederzeit einen Anlaufpunkt in der Drachenhöhle hatte. Im Außengelände befand sich ein großer Spielplatz und es bestand die Möglichkeit, einen fahrbaren Untersatz auszuleihen: Fahrräder, Roller, Gokarts etc. Zusammen mit weiteren Familien haben wir die Aktivitäten über vier Wochen dokumentiert und eine CD für alle erstellt, während andere Familien gebastelt haben, malten, kochten oder töpferten. In dieses vielfältige Programm reihte sich zudem der Schulunterricht ein.

Umrahmt bzw. unterbrochen wurde das Programm durch die Mahlzeiten im zentralen Haus: abwechslungsreich, schmackhaft und ausgewogen. Wir haben uns gut verwöhnen lassen! Gesundheitsseminare waren die Theorie zur erlebten Praxis. Suchtprävention, Ernährung, Sport und Bewegungstechniken wurden in entsprechen theoretischen Einheiten vertieft. Zur abendlichen Stunde wurden gemeinsam gebastelt, eine Geschichte für die Kinder vorgelesen oder eine besondere Sportart angeboten (Tai Chi, Qi Gong). Einmal in der Woche wurden die Kinder abends betreut, so dass die Eltern Bad Oexen auch einmal verlassen konnten.
Am Wochenende wurden Ausflüge in die nähere Umgebung angeboten. Wir haben nicht vergessen zu feiern: während unserer Zeit haben wir einen gemeinsamen Martinszug erlebt und an einigen Abenden Stockbrot am Kaminfeuer gebacken. Die Kur hat die Familie wieder „geerdet“, hat uns erleichtert und wir konnten gemeinsam wieder leben und nicht nur funktionieren.

Die Betreuung der Ärzte, Pädagogen und Psychologen, Animateure und Sportler war sehr gut. Nicht nur, dass wir eine hohe Kompetenz feststellen konnten, sondern das Team war besonders gut aufeinander abgestimmt und herzlich. Ob Köchin, Bedienung oder die Putzfrau: jeder hatte ein nettes Wort für jeden Kurgast und erledigte die anfallenden Arbeiten mit einem Lächeln. Die vier Wochen waren „im Nu“ vorbei – gerne denken wir an die Familienkur zurück!
Rückblickend mag man es nicht glauben, aber die vier Wochen waren entspannend, nicht stressig. Sie waren sehr erholsam. Und wir sind sehr dankbar, diesen Monat erlebt zu haben.

Karine und Matthias

Wie alles anfing, alles endete, und die Zeit dazwischen

Erfahrungsbericht von Katharina Roth, 13 Jahre

Wie alles anfing? Gute Frage. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht wann es anfing. Es war nur auf einmal da. An einem Tag war ich müde, schlapp, und sah aus wie eine frisch gestrichene weiße Wand. Aber kein Fieber, nix. Am nächsten Tag fühlte ich mich pudelwohl, als wäre nie etwas gewesen, mir ging es gut, ich konnte zur Schule. Dann bekam ich ein Gerstenkorn, das ist eine Entzündung unter dem Augenlied. Also: Zum Arzt. Zwei Tage später hatte ich tierische Ohrenschmerzen. Und dann war da auch noch mein gebrochener Arm, dazu aber später was. Meine Kinderärztin dachte, es wäre irgendein Infekt, gab mir ein Antibiotikum. Nach drei Tagen sah ich aber immer noch aus wie der erste Schnee, und das ist doch jetzt recht komisch, oder? Für das, was sich zwei Tage später herausstellte aber kein bisschen.

Wir kamen gerade aus der Uniklinik Köln wieder, denn man hatte mich von meinem Plastikgips befreit, als wir einen schockierenden Telefonanruf bekamen: Frau Dr. Satow. Ich habe erstmal gar nichts kapiert, habe meinen Ranzen geholt. Als ich wieder herunter kam, saß Papa aber immer noch am Telefon. „Und welche Klinik würden Sie uns da empfehlen?“ Bitte was? Wer sollte hier ins Krankenhaus? Ich bestimmt nicht, mir ging es an dem Tag (mal wieder) gut. Als Papa auflegte, und er mir erklärte, meine Blutwerte wären ziemlich merkwürdig gewesen und sie hätten einen Verdacht auf eine Blutkrankheit, höchstwahrscheinlich Leukämie, bin ich ausgeflippt. Wieso sollte ich dort hin? Ich kam doch grade von dort! Ich? Unmöglich! Ich habe geweint, geschrien ich würde da nicht hingehen. Ich fing an mir Ausreden auszudenken (und das stimmt wirklich!) wieso ich das nicht sein könnte. Das wäre die falsche Person, das wäre falsches Blut, also gar nicht von mir… Allerdings war das alles ziemlich unrealistisch. Also bin ich hoch, habe meine Sachen gepackt und wir sind los. Was danach passiert ist weiß ich nicht mehr, das habe ich alles gar nicht so wirklich registriert. Ich vermute mal, dass ich allen möglichen Ärzten vorgeführt und untersucht wurde. Dann bin ich abends bei Nora im Zimmer gelandet. Zum Glück konnte sie mir so einigermaßen alles erklären, obwohl sie was ganz anderes hatte. Und dann hatte ich ja noch Janina und Markus, die an diesem Abend Dienst hatten.

Frau Dr. Satow hatte Recht, es war Leukämie, die ALL, Blutkrebs oder wie man es auch nennen möchte. In den nächsten Tagen ging alles ziemlich schnell: Ich bekam einen Broviak implantiert, ich durfte dies und das nicht mehr essen, das nicht mehr tun, dort nicht mehr hingehen, aber musste Tabletten schlucken dazu diesen abscheulichen Cotrim-Saft. Viele sagen jetzt: „Katharina, wieso nimmst du dann nicht die Tabletten?“ Die waren nämlich für mich viel zu groß.

Der Anfang war schlimm, die ersten Chemos auch, aber nach einer Zeit gewöhnt man sich irgendwie auch daran. Man kennt dann so ein bisschen alle, kennt den Tagesablauf…

Dazu kommt jetzt was: Ich habe die meiste Zeit, als es mir gut ging, mit Karen und Ines verbracht (beide echt nett!), im Spielzimmer oder in meinem Patientenzimmer. Die beiden hatten immer so tolle Ideen, da konnte einem gar nicht langweilig werden. An Ostern Osterkörbchen, Leinwände, Dosen, Perlen…Später kam noch Maxie hinzu, eine Studentin (auch total lieb!) dazu, mit ihr habe ich ein Körperbild gemalt, was auch abgedruckt ist. Das bin nicht ich jetzt gerade, sondern wie ich vorher war, und wie ich wieder werden wollte. Meine Haare wachsen aber etwas dunkler nach, mal gucken ob sie wieder heller werden. Wenn ich nicht im Spielzimmer war oder gebastelt habe, hatte ich aber trotzdem was zu tun, wenn ich wollte. In der Woche war ja auch immer Visite, man konnte sich Filme oder Bücher ausleihen…Mir war selten langweilig.

Nach der Intensivtherapie, die ich eigentlich im Großen und Ganzen gut überstanden habe, muss ich aber immer noch mal in die Ambulanz, aber schlimm ist das nicht, da ich weiß, dass ich nur dadurch gesund werde. Der Brovi ist endlich wieder draußen, ich darf wieder schwimmen gehen, Freunde besuchen… An meinem Geburtstag durfte ich auch für ein paar Tage nach Nordfrankreich zu Oma und Opa. Das war schön!

Das Elternhaus hat für Geschwister eine Fahrt auf den Bauernhof organisiert und Maxi und Klarisse waren dabei. Ich war dann alleine, war aber auch bei Freunden…J
Ich hätte mich nie in eine andere Klinik gewünscht und danke allen, die mir in der letzten Zeit geholfen haben, gesund zu werden und moralisch nicht unterzugehen:
Erst mal meiner Familie, Papa, Maman, Klarisse und Maxi; Herrn Professor Berthold; Herrn Professor Simon; Herrn Dr. Fischer; Herrn Dr. Hömberg; Herrn Dr. Bönsch; Herrn Kirchgäßner; Frau Porath; Sylvia (eine total liebe Studentin); allen Schwestern und Pflegern von Station und Tagesklinik; Karen; Ines; Maxie; allen im Elternhaus; meinen Freunde; und alle, die ich kennengelernt habe!!!

Ich weiß wovon ich spreche: Kopf hoch, kämpft, das wird alles wieder! Glaubt mir!

Katharina Roth

Monika Burger-Schmidt – Erinnerungen an 2003

Im Oktober 2002 wurde bei unserem damals 6-jährigen Sohn Severin ein bösartiger Hirntumor festgestellt. Uns quälten viele Ängste, wirre Gedanken kamen, schwierige Fragen: Was wird geschehen? Was erwartet uns jetzt? Schaffen wir das?

Uns erwartete eine helle, freundliche Kinderkrebsstation in der Universitätsklinik Köln. Eine Schwester versuchte Ängste zu nehmen: „Severin, hast Du schon unsere vielen Videos gesehen auf dem Flur?“

Im Esszimmer fand an unserem ersten Tag auf Station eines der gemeinsamen Abendessen statt, die vom Förderverein für krebskranke Kinder e.V. Köln organisiert werden. An diesem Abend fragte ich mich, ob ich wirklich auf einer Kinderkrebsstation gelandet bin. Da saßen Mütter mit ihren Kindern beim Essen, redeten und lachten – für mich geradezu grotesk. Nach kurzer Zeit auf dieser Station waren wir jedoch mehr als froh über die willkommene Abwechslung – auch vom Speiseplan des Klinikessens. Mehr jedoch über die Gespräche, die ich dort mit anderen Eltern und den Mitarbeiterinnen des Fördervereins führen konnte. Später fragte Severin oft: „Gibt’s am Dienstag wieder Essen?“.

Severins Therapie war mit vielen Hochs und Tiefs verbunden. So waren wir z.B. wegen Infektgefahr für sieben Wochen isoliert, im Zimmer eingesperrt. Täglich kamen die Kunsttherapeutin zum Malen oder Töpfern und die Erzieherin zum Spielen. Das waren für mich kleine Ruhepausen zum Luftholen und für Severin heiß ersehnte Abwechslung. Diese Wochen, in denen wir 24 Stunden in einem Zimmer zusammen sein mussten, wären für mich ohne diese Betreuung, die durch den Förderverein ermöglicht wurde, unvorstellbar gewesen.

Im Sommer 2003 stirbt Severins kleine Freundin auf Station. Ich bin nicht in der Lage, meinen Sohn aufzufangen. Wieder ist es die Kunsttherapeutin, neben anderen, die für ihn da ist. Malen als Therapie. Die Bilder, die an diesem Tag entstanden, hängen heute bei uns zu Haus und sind zu wertvollen Erinnerungsstücken geworden.

Dann der Zwiespalt, wenn Severins Schwester Sinah zu Besuch kam, aber nicht ins Krankenzimmer mochte, weil sie den notwendigen Mundschutz nicht anziehen wollte. Stattdessen konnte sie im Spielzimmer mit der Erzieherin spielen.

Wenn Severin zwischendurch ernsthaft sagte „Mama, ich mache Urlaub auf Station“, lag das auch an den vielen lieben Menschen auf Station und aus dem Elternhaus.

Wir konnten Lebensfreude wieder finden, z.B. beim Karneval in der Wolkenburg, bei der Weihnachtsfeier, beim Eishockey-Spiel in der Kölnarena, bei einer Piratenfahrt auf dem Rhein – alles möglich durch den Förderverein.

Nach sieben Monaten Therapie, d.h. nach Chemo, Bestrahlung und mehreren Operationen wurde Severin eingeladen zu Reiterferien auf dem Hirschberg. Nur weil ich tiefes Vertrauen in die Betreuerinnen des Fördervereins hatte, war es mir möglich, Severin allein dort hin fahren zu lassen. Wie ausgewechselt kam er wieder. Mit neuem Selbstbewusstsein, gestärktem Kampfgeist und einer neuen Leidenschaft, nämlich dem Reiten.

Nach 13 Monaten mussten wir erfahren, dass Severin austherapiert war. Keine Chance mehr. Zum Sterben gingen wir nach Hause. Wir bekamen auch dann noch Besuch aus dem Elternhaus des Fördervereins- mit Severins Lieblingsspiel im Gepäck.

Und Heute? Wir sind eine verwaiste Familie. Aber nicht allein. Gespräche mit lieben Menschen vom Förderverein und Gleichgesinnten im Trauerkreis für verwaiste Eltern im Elternhaus helfen heute weiter.

Dennoch – es ist ein Alptraum. Mein Kind hat Krebs. Lebenskrise. Doch damit betroffene Kinder mit ihren Geschwistern und Eltern die gleiche Unterstützung wie unsere Familie bekommen, dafür bin ich heute Mitglied im Vorstand des Fördervereins für krebskranke Kinder e.V. Köln.

Monika Burger-Schmidt

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